
Elementarkraft Erde
Wandlungsphase der Mitte
Die Chinesen entwickelten die Fünf-Elemente-Lehre, um die Wandlungsprozesse in der Natur besser beschreiben zu können. Holz, Feuer, Erde, Wasser, Metall und Wasser heißen die fünf Elementarkräfte und fungieren als Sinnbilder für alle Erscheinungsformen und Dynamiken in der Welt. Das 3. Element Erde gilt als zentrierende, nährende und transformierende Kraft. Sie steht unteranderem für Stabilität, Fürsorge und Balance.
Von der Zeitqualität steht diese Elementarkraft für den Spätsommer, wenn die Felder ihre goldene Farbe annehmen und die Früchte nur darauf warten geerntet zu werden. Sie steht also symbolisch für wiederkehrende Fülle. Aber auch für Kontinuität, wie wir sie in den Traditionen der Aborigines sehen.
Traumzeit
Die Kultur der Ureinwohner Australiens gilt als eine der ältesten der Welt. Zentrales Thema ist die Traumzeit. Sie verbindet Land, Geschichten und Identität zu einem lebendigen Ganzen, in dem die Erde selbst ein Erinnerungskörper ist. Damit die Erinnerungen nicht “verschüttgehen”, müssen die Schöpfungsgeschichten regelmäßig “entstaubt” werden.
Hierfür wandern die Aborigines regelmäßig die Songlines entlang und singen sich gegenseitig die Lieder ihrer Ahnen vor. Dabei kennt jeder Stamm nur den Teil des Liedes, der sein Land kodiert. Allen Liedteilen liegt jedoch in gewisser Weise eine Melodiestruktur zu Grunde, die sie als Lied eines bestimmten Ahnen kennzeichnet.
Stabiler Traum
Das Konzept der Traumzeit ist für uns Europäer nur schwer zu verstehen. (Wahrscheinlich, weil wir es zu sehr mit dem Verstand durchdringen wollen.) Um das Verhältnis der Aborigines zur Wirklichkeit zu beschreiben, benutzen westliche Autoren und Anthropologen gerne den Begriff “stabiler Traum” – im Prinzip ein anderer Begriff für die göttliche Matrix. Bei meinen Recherchen zur Traumzeit tat sich ein ganzer Kosmos an Erklärungsansätzen auf, sodass ich beschlossen habe, einen gesonderten Beitrag zu schreiben.
Abschließend möchte ich sagen, dass die Songlines und das Singen der Ahnenlieder eine heilige Aufgabe erfüllen: Sie tragen dazu bei, das Traumgewebe, aus dem unsere Welt erschaffen wurde, zu heilen und die göttliche Ordnung in ihrem Einklang zu bewahren. Vergleichbar ist der Prozess mit Der unendlichen Geschichte von Michael Ende. Diese muss auch regelmäßig neuerzählt und imaginiert werden, damit sie nicht verschwindet.
Erde im Feng Shui
Unter den fünf Elementen nimmt Erde eine zentrale Rolle ein. Bis auf das Element Feuer sind alle anderen Elemente auf die Erde angewiesen. Sie befinden sich entweder in oder auf ihr (Metall, Wasser) oder beziehen Nährstoffe aus ihr (Holz). So ist es nicht verwunderlich, dass diese Wandlungskraft in der Mitte des Baguas angeordnet ist. Auch ihre Bewegungsrichtung kreist horizontal um ein Zentrum.
Ihr Yang-Aspekt zeigt sich in Bergen oder Felsen. Gestein ist unverrückbar und ist in der Lage Wasser am Fließen zu hindern. Das Erd-Yin findet sich in der fruchtbaren Ackererde wieder. Sie ist feucht und nährt alle Pflanzen.
Formen, Materialien und Farben
In der Architektur zeigt sich das Element Erde in quadratischen oder rechteckigen Plätzen oder in Gebäuden mit verhältnismäßig großer Grundfläche und geringer Bauhöhe, wahlweise mit Flachdächern oder Pultdächern (Neigung max. 15%). Häuser mit solchen Eigenschaften fördern Ruhe, Stabilität und Beständigkeit. Typischer Erdhaustyp ist das Bungalow.
Wird das Verhältnis Flächengröße zu Bauhöhe jedoch zu groß, wie beispielsweise bei modernen Produktionshallen oder Supermärkten, dann stellt sich schnell ein bedrückendes Gefühl ein. In Räumen mit geringer Deckenhöhe fühlt mensch sich zudem schnell lethargisch – die Gedanken können nicht mehr fliegen.
Typische Erdmaterialien sind Ton, Keramik, Porzellan und Naturstein. Die dazugehörigen Farben sind Ocker, Gelb, Braun und Terrakotta. Charakteristische Möbel sind niedrige Bänke, Truhen, Sideboards oder Sofalandschaften.

Erde in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM)
Die alten Chinesen ordneten der Wandlungsphase Erde dem Magen- und dem Milz-Meridian zu. Die wesentliche Aufgabe des Magenmeridians (Yang) ist es, die Aufnahme und die Zerkleinerung der Nahrung zu steuern. Der Milzmeridian (Yin) ist zuständig für die Umwandlung der Nahrung in körperkompatible Zellbausteine und in Energie (Chi). Ebenso ist die Milz für den reibungslosen Transport verantwortlich. In gewisser Weise ist sie der Verkehrspolizist im Körper. Über die Milz gelangen die weißen Blutkörperchen ins Blut und alte rote Blutkörperchen werden von ihr aus dem Verkehr gezogen.
Auf psychologischer Ebene steht der Magenmeridian für unseren inneren Jäger. Er gibt uns den Antrieb, solange ein Ziel zu verfolgen, bis wir die “Beute” erlegt haben. Der Milzmeridian steht für den Genießer in uns. Nach erfolgreicher Jagd, sitzt er wie ein kleiner Buddha gesättigt unter einem Baum und genießt den Sonnenschein und ist ganz bei sich. Sind wir nicht geerdet, so produzieren Magen und Milz, laut Emotionscode, negative Emotionen wie Nervosität, Versagen, Abscheu oder Sorge.
Erde im gesellschaftlichen Kontext
Menschen, die stark von der Erdenergie beeinflusst sind, zeichnen sich häufig durch eine pragmatische, bodenständige Lebensweise aus. Selten lassen sie sich von Trends mitreißen; sie prüfen die Dinge eingehend auf ihre Beständigkeit und Machbarkeit.
Während bei anderen Menschen vieles nur vage Idee (Feuer) bleibt, sind Erdenergietypen, diejenigen die ihre Einfälle in absehbarer Zeit realisieren. Vieles entsteht dabei aus dem Tun heraus, ganz nach dem Motto: “Probieren geht über studieren.” Zu dieser Spontanität sollten wir als Individuen und Gesellschaft wieder zurückkommen und Dinge einfach mal laufen lassen. Denn die Natur hält sich auch nicht an Vorschriften.
Zudem könnten wir alle vermehrten Kontakt zur Natur suchen. Viele – und da nehme ich mich nicht aus – erleben Natur nur noch als grüne Kulisse auf dem Weg zur Arbeit oder beim Spaziergang. Doch wie viele von uns kennen noch die Namen von Bäumen oder wissen, wie schmerzhaft es sich anfühlt Brombeeren zu pflücken, geschweige denn wie mühsam es ist, Holz zu hacken?
Unsere moderne Gesellschaft hat uns von viel Mühsal befreit. Allerdings haben wir uns dadurch der Möglichkeit beraubt, uns und unseren Körper in der Umwelt zu erfahren – und dem befriedigenden Gefühl nach getaner Arbeit.
Materie als Rückkopplung für den Geist
Materie beziehungsweise das Irdische spielt eine wichtige Rolle in der Spiritualität. In vielen religiösen und spirituellen Traditionen glaubt mensch, dass sich die göttliche Quelle in verschiedene Ebenen und Dimensionen aufgeteilt hat, um Erfahrungen zu machen. Materie ist quasi die unterste Ebene und fungiert als eine Art Spiegel, der das Erlebte zum Zentrum zurückreflektiert.
Menschen, die sich im Kundalini-Prozess befinden, wird die Erdung empfohlen, bevor sie sich den höheren Chakren widmen. Da sonst die Gefahr besteht eine Psychose zu erleiden. Überhaupt sollte das Ziel des Kundalini-Prozesses nicht die reine Erleuchtung sein, sondern die Balance zwischen den spirituellen und irdischen Energien.
In meinem 4. Beitrag zu den Wandlungsphasen wird es um das Element Metall gehen. Bis dahin genießt die Früchte des Spätsommers und des Frühherbstes.
Bildnachweis:
Landschaft mit Tafelberg: Manie Van der Hoven auf Pixabay
Falling Water von Frank Lloyd Wright in Pennsylvania (USA) auf Pixabay
Interessante Quellen:
Chatwin, Bruce, The Songlines, 1987
Fröhling, Th. & Martin, K., Feng Shui heute, 1999
Mandl, Mike, Meridiane. Landkarten der Seele, Bacopa 2020
www.amema.at/kategorie/qigong/page/3
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