​Herbstbeginn – Brot und Spiele

Seit jeher unterteilen wir das Jahr in Abschnitte. Rund um die Wendepunkte werden weltweit zahlreiche Feste gefeiert. In unserem Kulturkreis kennen die meisten die 4 Sonnenwendfeiern, welche die kalendarischen Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter einleiten. Weniger bekannt hingegen sind die vier (keltischen) Mondfeste Imbolc, Belteine, Lughnasadh und Samhain, die zwischen den markanten Sonnenständen liegen. Im 7. Teil meiner Reihe soll es um den paganen Herbstbeginn Lughnasadh / Lammas gehen.

​Bei unseren Vorfahren stellten die Sonnenwendfeiern jeweils den Höhepunkt einer Jahreszeit da. Folglich müssen deren Anfänge auf der Hälfte zwischen zwei Sonnenfesten liegen. Rein rechnerisch sind das 45 – 46 Tage. Im Falle von Lughnasadh müsste das Fest am 4. oder 5. August gefeiert werden. Weil der Sonnenstand in dieser Zeit keinen besonderen Anhaltspunkt bietet, orientierten sich pagane Gesellschaften am Mond bzw. an dessen Phasen. So soll Lammas während des 8. Vollmondes oder des 8. abnehmenden Halbmonds nach der Wintersonnenwende gefeiert worden sein. Heute wird das Erntefest zwischen dem 1. August und dem 15. August begangen. Wie schon bei Mabon hängt das mit dem Ablauf der Ernte zusammen.

Allerdings wird dieses Jahreskreisfest kaum noch gefeiert. Dieser Umstand machte die Suche nach brauchbaren Informationen diesmal besonders schwer. Aber nachdem ich meinen Blick in die Welt und in die Vergangenheit erweiterte, schälte sich für mich die Bedeutung des Jahreskreisfestes heraus: Alles hat seine Zeit.

​Zeit der reifen Früchte

Im Hochsommer werden viele Früchte reif. Sollen sie uns dienen, dann müssen wir sie jetzt ernten. Üblicherweise beginnt die Erntezeit Ende Juli / Anfang August mit der Kornernte. Heute mähen riesige Mähdrescher Tag und Nacht die Felder. Früher jedoch mussten die Menschen dazu die Sense schwingen. Deshalb wird dieses Fest auch Schnitterfest genannt.

Wer denkt bei diesem Bild nicht sofort an Gevatter Tod? Entstanden ist diese Darstellung während der Pestepidemien im ausgehenden Mittelalter. Das unerklärliche Sterben von 25 Millionen Menschen musste kollektiv verarbeitet werden. Künstler:innen griffen Passagen aus der Bibel auf, die den gealterten Menschen als reife Garbe beschreiben. Diese Vorstellung zieht den Schluss nach sich, dass die Seele beziehungsweise das Leben eines Menschen bei seinem Tod geerntet wird.

Diese Deutung ließ in mir die Frage aufkommen, was passiert bei der Ernte eigentlich? Nachdem Schneiden wird die “Spreu vom Weizen getrennt”, anschließend wird ein Teil des Korns als Saatgut für das nächste Jahr eingelagert. Den weit größeren Teil verwenden wir aber als Nahrung, d.h. die in dem Korn gespeicherte Energie geht den nächst höheren (Lebens-)Kreislauf ein. Spirituell gesehen bedeutet es: Das Irdische bleibt zurück; die Essenz steigt auf. Unter diesem Aspekt betrachtet, ist es nicht verwunderlich, dass das Kirchenfest Maria Himmelfahrt am 15. August genau in die Erntezeit fällt.

Die Versammlung (-nasadh) des Gottes Lugh

Lasst uns den Bogen zurück zum keltisch-irischen Herbstbeginn Lughnasad schlagen. Mit der Christianisierung wurden viele Aspekte von Muttergöttinnen auf die Heilige Maria übertragen. Und auch bei diesem Fest geht es um die Ehrung einer Mutter.

Eine Erzählweise besagt, die irische Göttin Tailtiu und (Zieh-)Mutter des Lichtgottes Lugh habe sich bei der Arbeit auf dem Feld und im Wald so verausgabt, dass sie im Hochsommer starb. Bevor sie das Zeitliche segnete, trug sie ihrem Sohn auf, ihr zu Ehren jedes Jahr ein Fest mit Brot und Spielen zu veranstalten. Denn dann würde der Reichtum Irlands nie enden.

Ähnliche Rituale weltweit

Mit dem keltischen Erntedankfest sind viele Traditionen verbunden, die erstaunliche Parallelen mit Festen aus anderen Kulturen aufweisen.

​Korngarben und -puppen

In der vorindustriellen Zeit wurde das gemähte Korn zu tragbaren Bündeln zusammengefasst. Einige dieser Garben ließen die Bauern auf den Feldern stehen, damit die eifrigen Naturgeister, die für das Gedeihen von Pflanzen und Früchten verantwortlich sind, nicht plötzlich ohne Behausung dastanden.

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Aus anderen Garben wurden Strohpuppen geflochten. Diesen Brauch gibt es eigentlich europaweit bis heute. An Dorfeingängen sehen wir jetzt meist eine weibliche und männliche Puppe in Hochzeitskleidung stehen. Bei den alten Slawen hingegen sollen die Strohpuppen eher die Form eines Phallus gehabt haben.

Am Festtag wurden bzw. werden diese Puppen verbrannt.

Einige Autor:innen im Netz sehen darin einen Frevel der Kirche, die mit dem Ritual den uralten Bund zwischen den Geistern der Natur und den Menschen zerstören möchte. Möglich wäre es. Andererseits ist es wahrscheinlich, dass dieser Brauch viel älter ist und die Strohpuppen einen Korngott oder eine Korngöttin darstellen, deren Kräfte in das Getreide übergegangen sind. Mit dem Verbrennen soll ein Teil dieser Kraft wieder zurückgeben werden. In Indien beispielsweise stellt das Feueropfer die höchste Form der Opferung dar. Denn auf diese Weise gelangt das Geopferte unmittelbar in den Himmel.

​Brot und Spiele

Lammas wird am 1. August gefeiert und leitet sich vom angelsächsischen “Loaf Mass” ab und wird mit “Brot-Messe” übersetzt. Auf Märkten an diesem Tag wurde das erste Brot aus dem neuen Korn verkauft. Es wurden aber auch die ersten (Feld-)Früchte und Vieh feilgeboten. Dieser Tag war aber auch ein Anlass sich mit seinen Freunden zu treffen und gemeinsam zu speisen.

In China und in anderen Ländern des Fernen Osten gilt der August als Geistermonat. Aus der Anderswelt kommen die Geister von Menschen, die sich im Leben eines Verbrechen schuldig gemacht haben oder aus einem anderen Grund nicht von ihren Nachfahren nicht versorgt werden. Um jene gnädig zustimmen, stellen die Lebenden für sie reichlich Obst und Süßigkeiten vor die Tür. Auch finden, um die umherziehende Geister zu erfreuen, Opernaufführungen auf Freibühnen statt.

In Irland wurden am Totenfest der Tailtiu auf ihren Grabhügel in Teltown (County Meath) Opfergaben dargebracht. In den Tagen davor und danach fanden allerlei sportliche und musikalische Wettkämpfe statt. Während der Festspiele wurde der Festfrieden ausgerufen: Kämpfe und Kriege fanden nicht statt. Zu dieser Feier des Wohlstandes sollte jeder ohne Furcht anreisen können.

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​Friedliche Wettkämpfe

Na, kommt das euch nicht bekannt vor? Richtig die Olympischen Spiele! Die antikenSpiele fanden traditionell rund um den 8. Vollmond nach der Wintersonnenwende statt. Und es gibt noch weitere Parallelen: Bei Olympia, dem Heiligtum des Zeus, gibt es einen Hügel der dem Titanen Kronos gewidmet ist. Kronos, der von Zeus und seinen Geschwistern in den Tartaros geworfen wurde, hatte seiner Zeit seinen Vater Uranos mit einer Sichel entmannt. Und der Feiertag seiner Frau Rhea, in der römischen Variante als Ops, wurde entweder am 10. oder 25. August begangen. Ihre Insignien sind Weizengarbe und Füllhorn.

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Die Olympischen Spiele der Neuzeit werden seit 1896 alle vier Jahre ausgetragen und finden in der Regel Ende Juli / Anfang August statt. 1924 kamen noch die Olympischen Winterspiele hinzu. Meist wird auch bei diesen Spielen der Frieden eingehalten. So begann der Ukrainekrieg erst nachdem die Winterspiele in Peking zu Ende gegangen und die Sportler:innen abgereist waren.

Aber nicht nur wir in der westlichen Welt veranstalten im Hochsommer Wettkämpfe. Im japanischen Soma treffen sich seit über tausend Jahren am letzten Wochenende im Juli Reiter in traditionellen Samurai-Rüstungen und messen ihre Kampfkünste.

​Hochzeit auf ein Jahr

Bei allem Totengedenken ist Lammas immer noch ein Fruchtbarkeitsfest, bei dem die Fülle des Lebens gefeiert wird. Auch eine andere Deutung des Namens Lughnasadh weist auf die Umstand hin: Hoch-zeit des Lichts. Kein Wunder das an diesem Tag viele Eheschließungen stattfanden. Allerdings wurden sie nur auf ein Jahr geschlossen!

Für eine Erklärung dieses Umstandes muss ich ein wenig ausholen. Ein Attribut des Lichtgottes Lugh sind Blitze. Was ihn zu einer irischen Entsprechung von Zeus bzw. von Jupiter macht. Kronos, sein Vater, wurde schon zur Zeit der alten Griechen mit dem Zeitgott Chronos verschmolzen. Seine römische Entsprechung heißt Saturn.

In der westlichen Astrologie wurden ihre Eigenschaften auf die Planeten Jupiter und Saturn übertragen. Jupiter steht für Glück, Optimismus, Fülle und Ausdehnung. Saturn ist der “Hüter der Schwelle”. Er verkörpert Verlässlichkeit und Stabilität, aber auch Abschied und Trennung. Rundheraus in dem Probejahr wurde getestet, ob die Beziehung der Eheleute über die Verliebtheitsphase Bestand haben würde.

Zum Abschluss möchte ich erwähnen, dass es in Zentralasien und Nordamerika ebenfalls Feste zum bäuerlichen Herbstanfang gibt, aber das würde jetzt den Rahmen sprengen.

Im 8. und letzten Teil meiner Reihe zu den Jahreskreisfesten wird es um den Winterbeginn Samhain gehen.