
Elementarkraft Feuer
Wandlungsphase der Dynamik und der Transformation
Um die Wandlungsprozesse in der Natur besser beschreiben zu können, haben die alten Chinesen die Fünf-Elemente-Lehre entwickelt. Die fünf Elementarkräfte Holz, Feuer, Erde, Wasser, Metall und Wasser fungieren als Sinnbilder für alle Erscheinungsformen und Dynamiken, die wir in der Welt beobachten können. Das 2. Element Feuer verkörpert unteranderem Optimismus, Inspiration, Herzenswärme und Leidenschaft.
Bei keinem anderen Element im Zyklus sind die positiven und die negativen Eigenschaften so offensichtlich wie bei dieser Elementarkraft. So erhellt Feuer uns die Nacht und wärmt unsere Körper. Und kein anderes Element ist so sehr Ausdruck von Emotion, von Begeisterung und von ekstatischer Lebendigkeit. Aber es fordert auch heraus: Es will gesehen werden und ist nur schwer zu bändigen. Wenn es außer Kontrolle gerät, kann es auszehren, verbrennen, vernichten! Es ist eben das absolute Yang im Zyklus – pure Aktivität.
Der oder die Sonne?
Aber selbst hier gibt es Unterscheidungen in Yin und Yang. Jedoch sollte mensch bei dem Begriffspaar nicht in Schwarz-Weiß-Denken verfallen. Denn hier geht es vielmehr um das Spektrum, das sich zwischen den beiden Polen aufspannt.
So ist das Symbol für das Feuer die Sonne. Je nachdem in welchen Breitengraden die Menschen leben, wird unser Zentralstern als männlich (Yang) oder weiblich (Yin) wahrgenommen. In den tropischen und subtropischen Zonen sehen die meisten Völker unser Gestirn als männlich an, oft belegt mit Attributen wie bedrohlich, streng, alles durchdringend, übermächtig oder beherrschend. In den gemäßigten und den (sub-)polaren Zonen wird die Sonne überwiegend als schützende und nährende Muttergestalt wahrgenommen.
Dennoch lassen sich keine harte Grenzen zwischen den Klimazonen ziehen – genauso wenig bei den männlich / weiblichen Eigenschaften der Sonne. Zum Beispiel sehen die Aborigines in der Sonne eine Lebensgeberin mit strenger Hand und die nordgermanische Sonnengöttin Sunna zieht mit einem Streitwagen über den Himmel.
Feuer im Feng Shui
In der Symbolsprache der fünf Wandlungsphasen wird Afrika oft dem Element Feuer zugeordnet – und das mit gutem Grund. Kaum ein anderer Kontinent ist so stark von Sonne, Hitze und offener Landschaft geprägt. Doch das Feuer zeigt sich hier nicht nur klimatisch, sondern auch kulturell und spirituell: in der expressiven Kraft von Tanz und Musik, in leuchtenden Farben, in der unmittelbaren Lebensfreude, die selbst unter schwierigsten Bedingungen spürbar bleibt.
In unseren Häusern bevorzugen wir die Yin-Varianten des Elements. Wer träumt nicht gern von einem romantischen Candle-Light-Dinner? Oder wer hat keine schönen Erinnerungen an gemeinsame Familienabende vor dem Kamin? Kein anderes Element im Zyklus verfügt über diese starke Eigenschaft Menschen auf Herzensebene zusammenzubringen. Feuer steht aber auch für die große Bühne: Nur wer im Licht steht, findet Beachtung.
Verbindung zu Gott
In der Architektur wird Feuer durch spitze Formen symbolisiert. Darunter fallen beispielsweise Strommasten, Schrägdächer oder alte Kirchtürme. Als Feuerbauten schlechthin können gotische Kathedralen angesehen werden. Ihre hochaufstrebende, spitzzulaufende Bauweise erzeugt eine Sogwirkung auf den Betrachter, welche dessen Blick in Richtung Himmel zieht. Auf diese Weise wird eine Verbindung zwischen Gott und dem Gläubigen geschaffen.
Überhaupt spielt Feuer ein zentrales Element bei der Gottesverehrung. In vielen Tempeln werden Opfergaben verbrannt, um sie den Göttern zugänglichzumachen. Mit anderen Worten: Es findet eine Transformation in einen höheren Zustand statt. Feuer steht aber auch für Kommunikation. Oder wer kennt nicht den erhellenden Moment, wenn der Funke überspringt?

Feuer in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM)
In unserem Körper nimmt die Wandlungskraft Feuer eine dominante Rolle ein. Gleich vier Hauptmeridiane werden diesem Element zugeordnet! Der Dünndarmmeridian (Yang) steht für die Trennung des Reinen vom Unreinen (körperlich wie geistig). Der Dreifach-Erwärmer (Yang) reguliert Temperatur, Flüssigkeiten und hormonellen Abläufe. Die Aufgabe des Perikard- / Herzbeutel-Meridians (Yin) ist es, das Herz zu schützen. Und der Herz-Meridian (Yin) ist zuständig für die Gefäße und den Blutkreislauf.
In China gilt das Herz als Sitz des Shen. Shen lässt sich mit spiritueller Präsenz oder mit Herz-Geist übersetzten. Es steuert die Emotionen und den Verstand und zeigt sich in Form von wachen Augen und offener Ausstrahlung. Menschen, bei denen Emotionen und Verstand ausgeglichen sind, werden oft als besonnen bezeichnet. Kindern hingegen schreibt man gerne ein sonniges Gemüt zu. Sie sprühen nur so vor Lebensfreude und Lebensenergie.
Getrübt werden kann dieser Enthusiasmus durch negative Emotionen wie Verlorensein, Verratensein, vergebliche Mühe oder das Gefühl nicht geliebt zu werden. Alles Emotionen, die tief ins Mark gehen und sofort urzeitliche Ängste auslösen. Denn ein Ausstoß aus der Sippe und dem nährenden, wärmenden Feuer bedeutet damals den sicheren Tod. Diese Angst geht so tief, dass man wider besseren Gewissen handeln kann, nur um nicht ausgeschlossen zu werden. Vor diesem Dilemma standen viele Menschen während der Corona-Zeit (Corona lat. für Krone, Kranz; Sonnenkorona nur sichtbar bei totaler Sonnenfinsternis).
Feuer im gesellschaftlichen Kontext
Gesellschaftlich betrachtet ist das Feuerelement eng mit Öffentlichkeit, Sichtbarkeit und Performance verbunden. Unsere mediale Kultur, geprägt von Social Media, Dauer-Selbstdarstellung und emotionaler Überstimulation, lebt in vielen Bereichen das Feuer im Übermaß. Zudem fehlt es oft an nährendem Holz in Form von wirklichen Inhalten. Dadurch verpufft vieles im (digitalen) Nirwana – es bleibt nichts von Wert zurück.
Ein anderes soziales Phänomen, das sich auf übermäßiges Feuer zurückzuführen lässt, ist der Burn-out. Unsere Gesellschaft hält uns in ständiger, oft unfreiwilliger Aktivität. Doch ohne Pausen brennen Geist und Körper aus. Körperliche Erschöpfung, Depression bis hin zur Lebensmüdigkeit sind die Folge.
Wie kann man dem Ausbrennen am besten vorbeugen? Zum einen sich bewusst Auszeiten setzten und in der Natur erden. Zum anderen echte Gemeinschaft suchen. Wir gedeihen, wenn wir sprichwörtlich unsere Herzen zueinander drehen und gemeinsam das Leben genießen. Also geht raus, macht mit euren Freunden Picknick oder tanzt mit ihnen die Sommernächte durch!
Im nächsten Beitrag stelle ich euch die 3. Wandlungsphase Erde vor.
Bildnachweis:
Feuer: Alexa auf Pixabay
Dom zu Mailand: Antonio Cansino auf Pixabay
Interessante Quellen:
Too, Lillian, Feng Shui für jeden Tag, 1998
Fröhling, Th. & Martin, K., Feng Shui heute, 1999
Mandl, Mike, Meridiane. Landkarten der Seele, Bacopa 2020
ChatGPT