Sommerbeginn – das Leben in vollen Zügen geniesen

​Seit jeher unterteilen wir das Jahr in Abschnitte. Rund um die Wendepunkte werden weltweit zahlreiche Feste gefeiert. In unserem Kulturkreis kennen die meisten die 4 Sonnenwendfeiern, welche die kalendarischen Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter einleiten. Weniger bekannt hingegen sind die vier (keltischen) Mondfeste Imbolc, Belteine, Lughnasadh und Samhain, die zwischen den markanten Sonnenständen liegen. Im 6. Teil meiner Reihe soll um den paganen Sommerbeginn Belteine gehen.

Bei unseren Vorfahren stellten die Sonnenwendfeiern jeweils den Höhepunkt einer Jahreszeit da. Folglich müssen deren Anfänge auf der Hälfte zwischen zwei Sonnenfesten liegen. Rein rechnerisch sind das 45 – 46 Tage. Im Falle von Beltane müsste das Fest am 5. oder 6. Mai gefeiert werden. Weil der Sonnenstand in dieser Zeit keinen besonderen Anhaltspunkt bietet, orientierten sich pagane Gesellschaften in Europa am Mond bzw. an dessen Phasen. So soll Belteine während des 5. Vollmondes nach der Wintersonnenwende gefeiert worden sein.

​Bedeutung des Fruchtbarkeitsfests

Aber spätestens seit dem Mittelalter wird der Beginn der schönen Jahreszeit in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai gefeiert. Das Wort Belteine oder Beltane ist keltischen Ursprungs und wird unter selbiger Bezeichnung auf den Britischen Inseln gefeiert. Es ist ein Kompositum aus den Wortstämmen bel und tene / teine. Während letzterer für Feuer steht, gibt es für bel mehrere Deutungen.

Die gängigste steht für hell / leuchtend. Oft wird in diesem Zusammenhang der keltische Lichtgott Belenus genannt. Er hat viele Gemeinsamkeiten mit dem griechisch-römischen Apollon, dem Gott des Lichts, des Frühlings, der Musik und des Gesanges sowie der Heilkunst. Für die Deutung von Belenus als Heilgottheit spricht auch die Etymologie als „Quellgott“, hergeleitet vom keltischen Wort Guelenos. Andererseits lässt sich die Silbe bel auch vom keltischen Wort für Bilsenkraut – eine halluzinogene Pflanze – herleiten, welches im Lateinischen Apollokraut heißt. Womit wir die Bedeutung des Sommerfestes eigentlich schon umrissen haben. Es steht für ausgelassenes Feiern, tanzen, singen, aber auch für Rausch und Ausschweifung sowie Hingabe und dem sich Verströmen.

Im Gegensatz zu den bereits vorgestellten Jahreskreisfesten scheint Belteine wirklich rein keltischen bzw. germanischen Ursprungs zu sein. Denn es wird heute hauptsächlich in den ehemaligen Verbreitungsgebieten der Kelten (Mittel- und Westeuropa) und der Altgermanen (Skandinavien und Ostseeraum) zelebriert. Auch ähneln sich die Rieten des Fruchtbarkeitsfestes sehr stark. Sie drehen sich um zentrale Elemente wie Feuer, Wasser, (Blumen-)Kränze und Stäbe / Pfähle und das Feenvolk.

​Bräuche in Europa

In Irland werden beispielsweise Anfang Mai Quellen und Brunnen mit Bändern geschmückt, die den Menschen und dem Vieh Glück und Gesundheit bringen sollen. Überhaupt wird an Belteine geschöpftes Wasser – sei als Tau oder aus der Quelle – reinigende und belebenden Aspekte nachgesagt.

Die Iren gelten als sehr naturverbunden. Einher geht ihr Glaube das Feenvolk beziehe im Mai seine Sommerquartiere. Um sie gnädig zustimmen, bringen die Einheimischen an Steinkreisen, die als Tore zur Anderswelt gelten, den Feen und Kobolden Opfer dar.

In Mitteleuropa werden vielerorts Maibäume aufgestellt – ein langer Pfahl, an dessen Spitze ein (Blumen-)Kranz hängt. Meist sind an dem Baum lange Bänder befestigt, die bei einen Kreistanz ineinander verflochten werden. Verbunden mit dieser Tradition ist die Wahl einer Maikönigin und eines Maikönigs, die symbolisch für den Sommer verheiratet werden.

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​Walpurgisnacht

Allen Regionen in Europa gemein ist, dass die Feierlichkeiten bereits in der Nacht vor dem 1. Mai beginnen. In Schweden und Finnland gehört der 30. April den Studenten. Im schwedischen Uppsala findet jedes Jahr ein Rennen mit selbstgebauten Flößen statt und in Helsinki waschen Studenten die Statue Havis Amanda – eine Meerjungfrau, die sich für das Leben an Land entschieden hat – und setzen ihr anschließend eine Studentenmütze auf.

Freizügiger geht es im schottischen Edinburgh zu, wo jedes Jahr auf dem Beltane Fire Festival die Hochzeit zwischen der Maikönigin und dem grünen Mann zelebriert wird. Deutlich grusseliger ist die Walpurgisnacht in Deutschland. Der Sage nach versammeln sich die Hexen auf dem Hexentanzplatz in Thale (Harz), um von da aus zum Blocksberg / Brocken zu fliegen. Dort sollen sie an großen Feuern eine Orgie mit dem Teufel feiern.

Gefeiert wird auf dem Hexentanzplatz vermutlich schon seit Jahrhunderten – wenn auch unter anderen Vorzeichen. Forscher:innen vermuten, dass sich auf dem Plateau ein altsächsischer / germanischer Kultort für Wald- und Berggöttinnen befand. Nach der Eroberung durch die christlichen Franken unter Karl dem Großen wurde der Kult verboten. Der Legende nach wollten sich die Sachsen jedoch nicht von ihrer Tradition abbringen lassen und verschreckten die fränkischen Wachen, in dem sie sich verkleideten und mit Besen, Heugabeln und Fackeln bewaffnetet auf den Berg zogen.

​Verschleierung und Verdrehung durch die Kirche

Keine Legende ist, dass die Kirche ganze Arbeit geleistet hat, um die positiven Merkmale von Beltane zu verdrehen. Der Grund dürfte in der Unvereinbarkeit des Mondfestes mit dem christlichen Glauben an die Jungfrauenzeugung liegen. Folglich konnte dem Fest kein kirchliches übergestülpt werden.

Die Verschleierung beginnt schon mit dem Namen der Walpurgisnacht. Nach gängigen Quellen geht die Bezeichnung der Nacht auf die heilige Walburga, eine angelsächsische Benediktinerin und Äbtissin des Klosters Heidenheim, zurück. Verehrt wurde sie am 1. Mai, wobei die Feierlichkeiten bereits schon in der Nacht begannen. Mit ziemlicher Sicherheit legte die Kirche ihren Gedenktag auf den 1. Mai, weil ihr Name starke Ähnlichkeit mit Waluburg, einer Seherin der germanischen Semnonen im 2. Jahrhundert n. Chr., hat.

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Der Name der Seherin war vermutlich eher eine Berufsbezeichnung, denn er besteht aus der Silbe walu, die auf das germanische Wort walus für Stab zurückgeht, und der Silbe burg, welche für verwahren, bewahren steht. Der Name der Seherin / Priesterin bedeutet also Bewahrerin oder auch Trägerin des Stabes. Für die Germanen war der Stab der Inbegriff für Zauberkraft. Er war für die Wala / Völva gleichzeitig magisches Symbol, Statuszeichen und Werkzeug. Zu Beltane wird sie damit Fruchtbarkeitsrituale durchgeführt haben.

​Akt der (Neu-)Schöpfung

Im Mittelalter wurden aus den Zauberinnen runzlige Hexen, die auf Besen ritten. Und auch der Teufel ist eine Umdeutung des gehörnten, grünen Mannes. Was hier also verteufelt wurde, ist die Heilige Hochzeit zwischen der dreifaltigen Göttin Wilbeth, Ambeth und Borbeth, die den Lebenskreislauf verkörpert, und dem Gott der Vegetation!

Das Prinzip der Heiligen Hochzeit kennen wir in verschieden Abstufungen aus anderen Kulturen. Genannt seien hier die Verehrung des Dionysos – als Gott der Fruchtbarkeit, sexuellen Lust und Ekstase, die Heilige Hochzeit von Inanna und Dumuzi in Sumer, die Vereinigung der Himmelsgöttin Nut und des Erdgottes Geb im alten Ägypten sowie das Wirken von Shiva und Shakti. Allen gemein ist der (Neu-)Schöpfungsprozess, den die beiden Geschlechter durch ihre Vereinigung auslösen.
Und auch auf weltlicher Ebene schließt sich ein Kreis: Kinder die zu Beltane gezeugt werden, kommen zu Imbolc, dem Fest zur Erneuerung des Lebens, auf die Welt.

Im 7. Teil meiner Reihe zu den Jahreskreisfesten wird es um den Herbstbeginn Lughnasadh gehen.